Wagnis oder Gewinn? Telemedizin auf der Intensivstation

Die Telemedizin wird von immer mehr Patienten und Ärzten genutzt, zum Beispiel um chronisch kranken Patienten häufige Arztbesuche zu ersparen oder um in ländlichen Gegenden dem Problem der sinkenden Versorgung durch Ärzte vor Ort entgegenzuwirken. Doch wie nützlich ist die Telemedizin auf Intensivstationen? Sollten nicht gerade dort ausreichend Mediziner anwesend sein, die sich auf schwerstkranke Patienten spezialisiert haben?

Report: Simone Ernst

Die Versorgung von Intensivpatienten profitiert von der Telemedizin. Das fanden...
Die Versorgung von Intensivpatienten profitiert von der Telemedizin. Das fanden unterschiedliche Studien in den USA heraus. Auch in Deutschland soll die flächendeckende Teleintensivmedizin möglich werden.
Quelle: panthermedia.net/SimpleFoto

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V., Prof. Thea Koch, findet dies zwar wünschenswert, doch die Realität sei nüchterner: „Die demographische Entwicklung führt zu einer zunehmenden Anzahl an kritisch kranken Patienten. Allerdings sehen wir eine Diskrepanz zwischen Kapazitätsbedarf und den tatsächlichen Ressourcen an Intensivbetten. Auch bräuchte es mehr erfahrene und qualifizierte Intensivmediziner.“

Koch sieht eine flächendeckende und gleichzeitig qualitativ hochwertige Versorgung nur durch die teleintensivmedizinische Betreuung sichergestellt. So könne die Expertise aus einzelnen Zentren an eine große Anzahl Krankenhäuser geholt werden.

Im Zweifel den Kollegen fragen

Natürlich war es schon immer möglich in Zweifelsfällen oder Notfallsituationen einen Kollegen um Rat zu fragen. Die Teleintensivmedizin geht jedoch einen Schritt weiter und bietet eine umfassende Behandlung schwer kranker Patienten. Dank moderner Video- und Audioverbindungen sowie PACS können gleichzeitig mehrere Ärzte an verschiedenen Standorten einen Patienten betreuen. Davon profitieren besonders kleine Krankenhäuser mit wenig Intensivbetten. Koch: „Virtuelle Visiten können sehr hilfreich für das Behandlungsergebnis sein. Zum einen profitieren die Patienten durch eine bessere Betreuung, zum anderen profitieren die Ärzte, die von der Expertise eines erfahrenen Kollegen lernen. Gleichzeitig können notwendige Maßnahmen schnell und gezielt durchgeführt werden“.

Fachkliniken müssen mitziehen

Durchführbar ist eine telemedizinische Intensivbetreuung allerdings nur, wenn sich größere Kliniken und Zentren dazu entschließen eigens Fachärzte mit entsprechender Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ anzustellen, die den Kollegen stetig als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Hierfür anfallende Kosten müssten natürlich gedeckelt sein. „Es muss deutlich werden, dass sich durch die Teleintensivmedizin Erfolge messen lassen und die Leistungsvergütung die Personal- und Investitionskosten decken. Dann, so hoffe ich, kann eine flächendeckende Etablierung in Deutschland wahr werden.“

Wann die Teleintensivmedizin tatsächlich deutschlandweit angewendet werden wird, ist aus heutiger Sicht nur schwer zu beurteilen. Es laufen derzeit jedoch Studien, die den Nutzen der Telemedizin belegen sollen. Darüber hinaus gab es bereits mehrere Studien in den USA, die einen Nutzen teleintensivmedizinischer Anwendungen belegten. Die Aussichten das Verfahren auch bei uns einzuführen, scheinen somit nicht schlecht zu stehen.  

 

PROFIL:
Prof. Thea Koch ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. Nach ihrem Studienabschluss an der Philipps-Universität Marburg im Jahr 1986 promovierte sie zum Thema „Stoffwechsel und Fließeigenschaften der Erythrozyten bei Patienten mit Diabetes mellitus“. Nach ihrer Anerkennung als Ärztin für Anästhesie im Jahr 1991 erfolgte die Habilitation 1995 zum Thema: „Pathomechanismen und Mediatoren der systemisch inflammatorischen Reaktion (SIRS) und Möglichkeiten zur therapeutischen Intervention“. Seit 2002 ist sie Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie verbunden mit der Lehrstuhlvertretung an der TU Dresden, Weiterbildungsbefugnis für Anästhesiologie und Zusatzweiterbildung Intensivmedizin, sowie, seit 2006, Lehrstuhlinhaberin für Anästhesiologie und Intensivtherapie an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden.

05.11.2015

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