Prostatakrebs

PREFERE-Studie wird abgebrochen

Die Deutsche Krebshilfe, die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen werden die PREFERE-Studie zur Bewertung der gängigen Behandlungsoptionen bei Frühformen von Prostatakrebs nicht fortführen und die Studienförderung zum 31. Dezember 2016 beenden, weil die Zahl der eingeschriebenen Patienten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Prostatakrebs-Studie PREFERE wird nicht fortgeführt.
Prostatakrebs-Studie PREFERE wird nicht fortgeführt.

Damit bleibt weiter unklar, von welcher der vier Möglichkeiten – Radikaloperation (radikale Prostatektomie), perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie (dauerhaft in der Prostata platzierte Strahlenquellen), Aktive Überwachung – Patienten mit einem Prostatakarzinom im frühen Stadium am meisten profitieren.

Das vor dreieinhalb Jahren begonnene Studienprojekt hat die Erwartungen zur Durchführbarkeit, insbesondere der Rekrutierungsrate, die der Entscheidung, die Studie zu fördern, zugrunde lagen, nicht erfüllt. Zu diesem Fazit kommen die Deutsche Krebshilfe sowie die gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen nach einer weiteren Zwischenbewertung der Studie, die unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Stöckle, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg/Saar, und Prof. Dr. Thomas Wiegel, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Ulm, durchgeführt wurde. Hinzu kommt, dass kürzlich veröffentlichte Daten einer englischen Studie (ProtecT-Studie) nach eigenen Aussagen der Studienleiter grundlegende Änderungen im Studiendesign notwendig gemacht hätten.

Für die weitere Betreuung der 343 Patienten, die sich bisher für eine Teilnahme entschieden haben, bringt die Beendigung der PREFERE-Studie keine Nachteile. Die gesetzlichen Krankenkassen, die privaten Krankenversicherungen sowie die Deutsche Krebshilfe werden die langfristige medizinische Betreuung / Beobachtung der Patienten in der Form sicherstellen, wie sie im Rahmen der PREFERE-Studie erfolgt wäre. Sie werden darüber hinaus Möglichkeiten prüfen, wie die klinischen Ergebnisse bei diesen Studienpatienten trotz des Studienabbruchs für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden können.

Den Förderern erscheint es nicht vertretbar, eine Studie fortzusetzen, die absehbar nicht abgeschlossen werden kann und damit die eigentliche Studienfragestellung nicht beantworten wird. Die Förderer bedauern den Studienabbruch in hohem Maße. Sie halten fest, dass damit eine große Chance nicht genutzt werden konnte, im Interesse der zahlreichen Patienten eine derart wichtige klinische Fragestellung zu klären, die auch unter Berücksichtigung aktueller international publizierter Studiendaten weiterhin unbeantwortet ist.

Den Förderern der Studie waren die Herausforderungen von Anfang an bewusst – insbesondere die Aspekte hohe Teilnehmerzahl und Randomisierung. Dem Studienbeginn war deshalb eine fast zweijährige intensive Vorbereitungsphase vorgeschaltet worden. Das Studienkonzept und -design war seitens der Deutschen Krebshilfe und der Kostenträger abgestimmt worden mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie, der Deutschen Gesellschaft für Radiologie, dem Berufsverband Deutscher Urologen, der Deutschen Krebsgesellschaft und der Krebs-Selbsthilfe-/Patientenorganisation Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe (BPS). Die Studie und ihr Design fanden zudem die uneingeschränkte Unterstützung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Das Studiendesign der präferenzbasierten Randomisierung war und ist für alle Beteiligten zukunftsweisend: Trotz wissenschaftlich gebotener Randomisierung bleiben dem Patienten Wahlentscheidungen. „Nach dieser intensiven Abstimmung zwischen allen Beteiligten im Vorfeld des Studienbeginns war davon auszugehen, dass PREFERE einen erfolgreichen Verlauf nehmen wird. Wohl wissend um die Herausforderungen, haben wir uns auf diese Allianz verlassen", so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven.

Die Förderer der Studie müssen nach dreieinhalb Jahren jedoch konstatieren, dass die Herausforderungen des Studiendesigns möglicherweise unterschätzt wurden. „Es war beispielsweise nicht zu antizipieren, dass der überwiegende Teil der Studienpatienten die Standardtherapien – Operation und konventionelle Strahlentherapie – abwählt", erklärt Prof. Dr. Jürgen Fritze vom Verband der Privaten Krankenversicherung. Dies führe dazu, dass sich die Teilnehmerzahl nochmals deutlich erhöhen müsste, um valide Studienergebnisse zu erhalten. Durch die unmittelbare Kontaktaufnahme mit niedergelassenen Urologen, die in der Regel die erste Anlaufstelle für den Patienten sind, haben die Förderer im Laufe der bisherigen Studienlaufzeit zudem den Hinweis erhalten, dass ein Viertel der niedergelassenen Urologen nicht bereit ist, an PREFERE mitzuwirken. „Den Patienten konnte anscheinend nicht ausreichend vermittelt werden, dass die Frage der besten Therapie wissenschaftlich unbeantwortet ist, dass also die Empfehlung der einen gegenüber der anderen Therapie unfundiert ist. Denn anderenfalls wären die Patienten der Logik gefolgt, dass die Randomisierung jedenfalls keinen Nachteil bedeutet, aber Erkenntnisgewinn", so Fritze weiter.

Die im PREFERE-Studiendesign berücksichtigte Randomisierung sieht auch der Vorsitzende des Fachausschusses ‚Krebs-Therapiestudien' der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dr. Andreas Neubauer, Klinik für Innere Medizin des Universitätsklinikums Marburg, nicht als gravierende Hürde an. „In klinischen Studien werden Therapien an einer größeren Anzahl von Patienten statistisch geplant, systematisch überprüft und sorgfältig ausgewertet. Nur so kann zuverlässig festgestellt werden, wie wirksam Behandlungsmethoden wirklich sind." Fortschritte in der Krebsmedizin, wie beispielsweise bei Leukämien und beim Brustkrebs, seien meistens durch randomisierte klinische Studien erreicht worden.

Auch die gesetzlichen Krankenkassen bedauern den Studienverlauf. „Die äußerst unbefriedigende Rekrutierung wird leider nicht zu den erhofften wichtigen Erkenntnissen führen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht mehr verantwortbar, die Studie weiter zu fördern", erklärt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, im Namen aller gesetzlichen Krankenkassen.

Grundlage für PREFERE war ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Danach wurde die Entscheidung über die Aufnahme der sogenannten Brachytherapie in den ambulanten Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zunächst ausgesetzt. Der Grund: Es gab keine ausreichenden Daten, um diese Behandlungsform zu bewerten. Daraufhin wurde das Studienkonzept für PREFERE entwickelt, um die Brachytherapie mit anderen Therapien vergleichen zu können. Nach einer Reihe von ausführlichen Begutachtungen dieses Konzeptes und der Weiterentwicklung durch nationale und internationale Experten verschiedener Fachrichtungen konnte PREFERE schließlich auf den Weg gebracht werden.

Der Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, zeigt sich enttäuscht von den bisherigen Ergebnissen der für den G-BA nach wie vor wichtigen Studie, kann aber die getroffene Entscheidung der Förderer nachvollziehen. „Damit bleibt bedauerlicherweise die Frage nach der besten Therapie des Niedrig-Risiko-Prostatakarzinoms ungeklärt", erklärt Hecken. „Ich würde mir jedoch wünschen, dass die Deutsche Krebshilfe, der G-BA sowie die Kostenträger gemeinsam im Sinne der Patienten darüber nachdenken, wie weit die offene Fragestellung mit einem erfolgversprechenderen Studienkonzept erneut aufgegriffen und bearbeitet werden kann, damit der Aussetzungsbeschluss mit Blick darauf aufrechterhalten werden kann", so Hecken weiter.

Trotz des vorzeitigen Studienabbruchs resultieren aus der Studie auch wichtige Erkenntnisse. So hat beispielsweise die Zweitbegutachtung der Gewebeproben das Risiko einer Über- oder Untertherapie für die Betroffenen deutlich verringert. Die in den letzten dreieinhalb Jahren eingeschriebenen Patienten haben von diesem Vorteil profitiert – ebenso wie von der strukturierten und neutralen Aufklärung über die vier möglichen Behandlungsoptionen bei Prostatakrebs im frühen Stadium.


Quelle: Deutsche Krebshilfe

06.12.2016

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