Artikel • Brustkrebs & MRT

Ein Plädoyer für Brustkrebs-Screening mit MRT

Die Brustkrebsfrüherkennung erfolgt klassischerweise in Form einer Mammographie oder eines Ultraschalls. Mit verkürzten Protokollen könnten jedoch mehr Frauen im MRT untersucht und bei positiven Befunden entsprechend früher behandelt werden, erklärt die renommierte Forscherin Dr. Elizabeth Morris während des diesjährigen internationalen MR-Symposiums in Garmisch.

„Wir brauchen nicht so viele Sequenzen, denn viele der Daten, die wir während einer MRT-Untersuchung sammeln, sind für ein Screening nicht so wichtig – hier geht es uns in erster Linie um Veränderungen. Zwei oder drei Sequenzen dürften reichen, dadurch würde die Untersuchung kürzer, besser von den Patientinnen toleriert und potenziell billiger“, so Dr. Elizabeth Morris, Leiterin des Breast Imaging Service am Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in New York City, im Vorfeld der Konferenz.

Wir müssen unbedingt Technologien entwickeln, mit denen wir auch sehr kleine Herde sehen können.

Dr. Elizabeth Morris

Durch den Einsatz verkürzter Protokolle könnte die MRT, aktuell die einzige Modalität, die eine echte Früherkennung ermöglicht, mehr Frauen zur Verfügung stehen, hofft die Wissenschaftlerin. „Wir müssen unbedingt Technologien entwickeln, mit denen wir auch sehr kleine Herde sehen können. Die beste Modalität ist heute die MRT, da sie die Vaskularität anzeigt. Denn sind Brustkrebstumore sehr klein, bilden sie neue Blutgefäße. Wir können auf dem MRT-Scan winzige Dinge erkennen, die im Ultraschall oder in der Mammographie noch nicht sichtbar sind“, sagt die Wissenschaftlerin.

Der MRT-Scan zeigt im Ultraschall und in der Mammographie noch unsichtbare Tumorherde

Beim Brustkrebs-Screening ist Timing das A und O: Je früher der Krebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungs- und Überlebenschancen. „Wir müssen den Krebs erkennen, bevor eine klonale Differenzierung stattgefunden hat, d. h. bevor die Subklone von Zellen innerhalb des Tumors verschiedene Mutationen durchlaufen haben. Denn sobald das geschehen ist, ist der Krebs viel schwieriger zu behandeln. Wird der Krebs erkannt, wenn der Tumor noch sehr klein ist, sind diese Mutationen mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht erfolgt“, so Morris.

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Kinetische Analyse zeigt Persistenz

Auch andere kontrastmittelbasierte Technologien könnten unter Umständen kleine Krebstumore diagnostizieren, etwa die molekulare Bildgebung oder gezielte Kontrastmittel in der MRT, aber diese Systeme sind heute noch nicht im klinischen Alltag verfügbar. Eine weitere interessante Option für die Zukunft ist laut Dr. Morris die zirkulierende Tumor-DNA, die man im Blut „dingfest“ machen kann, und die sogenannte Flüssigbiopsie (liquid biopsy), die ebenfalls potenzielle Genanomalien aufzeigt, auch spezielle Mutationen in den Genen BRCA 1 und BRCA 2, die das Risiko für Brust- und Gebärmutterkrebs erhöhen.

„Mary-Claire King, die 1990 die Rolle des Gens BRCA 1 entdeckt hat, war der Meinung, BRCA-Tests sollten Pflicht sein, um jeder Frau auf der Welt die Chance zu geben, zu erfahren, ob sie Trägerin des Gens ist oder nicht. Der Test ist zudem einfach und nicht wenige Frauen sind adoptiert oder wissen nicht, ob diese Mutation in ihrer Familie vorkommt. Weiß man jedoch, dass man Trägerin der Mutation ist, kann man etwas tun. Diese Empfehlung hat sich nicht durchgesetzt, aber der Gedanke ist interessant. Wenn künftig die Genomanalyse erschwinglicher wird, könnten wir in diese Richtung gehen“, so Morris.

Die American Cancer Society empfiehlt derzeit eine MRT-Untersuchung bei Frauen mit einem kumulierten Lebenszeit-Brustkrebsrisiko von mehr als 20%. Allerdings werden die Screening-Leitlinien für Hochrisiko-Frauen gerade überarbeitet. „Die Aussagekraft eines kumulierten Lebenszeitrisikos, auch im Hinblick auf das Screening, wird immer mehr angezweifelt. Es gibt Vorschläge, stattdessen das 10-Jahres-Risiko zur Entwicklung von Brustkrebs heranzuziehen. Das wäre ein wesentlich besserer Indikator, insbesondere dann, wenn man einerseits alle Risiken einkalkulieren, andererseits aber die Frauen nicht zu einem Gentest schicken möchte“, so die Radiologin.

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MRT-Biopsie. Invasives duktales Mammakarzinom, 3 mmMRT-Biopsie. Invasives duktales Mammakarzinom, 3 mm

MRT ist und bleibt die beste Modalität für das Screening von Hochrisiko-Patientinnen, aber angesichts eines fehlenden USA-weiten Screening-Programms und der Vielzahl von Empfehlungen, die die unterschiedlichen Fachgesellschaften und Organisationen veröffentlicht haben, ist dies in den USA sehr kompliziert. „Was wir aktuell tun, reicht nicht aus. Wir erkennen viele Brustkrebstumore überhaupt nicht, und wenn wir sie erkennen, sind sie zu groß. Das Screening ist nicht optimal – wir müssen einfach besser werden. Es ist dringend an der Zeit, dass in den USA über eine landesweite Screening-Initiative nachgedacht wird. Da das fehlt, haben wir in den USA im Vergleich zu Europa und anderen Regionen so viele unterschiedliche Screening-Verfahren“, so Dr. Morris.

Das Jahrzehnt zwischen 40 und 50 ist bei Frauen das wichtigste Jahrzehnt für die Brustkrebserkennung.

Dr. Elizabeth Morris

Die American Society of Breast Imaging, deren Präsidentin Elizabeth Morris ist, empfiehlt jährliches Screening für Frauen ab 40 und alle zwei Jahre bei Frauen ab 55 Jahren. „Das Jahrzehnt zwischen 40 und 50“, erläutert Morris, „ist bei Frauen das wichtigste Jahrzehnt für die Brustkrebserkennung. Bei jüngeren Frauen muss häufiger gescannt werden, um den tückischen Intervallkrebs zu erkennen. Bei afro-amerikanischen Frauen zwischen 40 und 50 Jahren ist die Brustkrebsinzidenz wesentlich höher als in späteren Jahren, daher ist das Screening in dieser Altersgruppe wichtiger als zum Beispiel bei Frauen zwischen 60 und 70“.

Besonderes Augenmerk muss außerdem auf Frauen gelegt werden, bei denen Krebs in der Familie vorgekommen ist, und auf Frauen mit dichtem Brustgewebe, ebenfalls ein bekannter Risikofaktor, da dichtes Gewebe den Tumor maskieren kann.

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Dr. Elizabeth Morris

Profil:
Dr. Elizabeth Morris ist Leiterin des Breast Imaging Service am Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) und Professorin für Radiologie am Weill Cornell Medical College und Inhaberin des Larry Norton Endowed Chair. Sie ist Präsidentin der Society of Breast Imaging und Fellow des American College of Radiology und der International Society of MR in Medicine. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Nutzung von neuen Technologien wie MRT für die Brustkrebs-Früherkennung und für die Optimierung des diagnostischen Workup von Brustläsionen. Dr. Morris ist Autorin und Ko-Autorin von mehr als 150 Artikeln, Buchbeiträgen und Büchern zu Brustkrebs mit dem Fokus auf der Rolle der MRT. Sie hat bei mehr als 300 Konferenzen präsentiert. Aktuell ist sie Vorsitzende der MRT-Gruppe des ACR BIRADS® Lexicon. Sie ist Autorin des Buchs „Breast MRI: Diagnosis & Intervention“. In ihrem jüngsten Forschungsprojekt beschäftigt sie sich mit der Rolle von Bildgebungsbiomarkern bei der Beurteilung von Risiken und Behandlungsansprache.


Veranstaltungshinweis

Donnerstag, 02.02.2017, 17:15-17:35 Uhr
Mammographie-Screening mit MRT?
E. Morris, USA-New York
Session: Gynäkologische Bildgebung I

20.02.2017

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