Das nachhaltige Krankenhaus

Text: Michael Krassnitzer

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Die ursprüngliche Idee des Wortes, Natur und Umwelt für nachfolgende Generationen zu erhalten, ist längst durch ökonomische und soziale Dimensionen erweitert worden. Der Begriff der Nachhaltigkeit findet sich daher zusehends auch in Unternehmensstrategien von Krankenhäusern wider.

Das Otto-Wagner-Spital (Quelle: Herwig Popelka)
Das Otto-Wagner-Spital (Quelle: Herwig Popelka)
Das Otto-Wagner-Spital (Quelle: Herwig Popelka)
Das Otto-Wagner-Spital (Quelle: Herwig Popelka)

„Unsere Vision ist es, dass Krankenhäuser die eigene Zukunftsfähigkeit sichern und gleichzeitig einen wirkungsvollen Beitrag zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung leisten können“, erklärt Dr. Karl Purzner, zuständig für Organisationsentwicklung im Wiener Otto-Wagner-Spital.

In dieser Einrichtung erprobte ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern gemeinsam mit den Spitalspraktikern ein Pilotprojekt mit dem Namen „Das nachhaltige Krankenhaus“. „Wir wollen Nachhaltigkeit im Krankenhaus als wichtiges unternehmerisches Leitprinzip verankern“, resümierte der Psychiater und Krankenhausmanager Purzner, als er das Konzept auf einer gleichnamigen Tagung in Wien präsentierte.
Im Zuge des Projektes wurde eine Sustainability Balanced Scorecard (SBSC) entwickelt. Dabei handelt es sich um eine abgewandelte Form der Balanced Scorecard, also jenes Controlling-Instruments, das eine Unternehmensführung auf wenige, aufeinander abgestimmte Ziele fokussiert. Zusätzlich wurde ein einfaches Schema zur Entscheidungsfindung entwickelt. Damit soll die Ergebnisqualität optimiert werden, wobei Krankenbehandlung, Gesundheitsförderung, Wirtschaftlichkeit, Soziales (Belastung der Mitarbeiter und Patienten) sowie Ökologie (Materialverbrauch und Energie) die wesentlichen Kriterien sind. „Eine SBSC fördert die Entwicklungsbemühungen einer Organisation durch Konzentration auf das Wesentliche und erleichtert die Kommunikation zwischen Professionen und Hierarchieebenen“, ist Purzner überzeugt.

„Die nachhaltige Angebotsplanung ist die Schlüsselstrategie zur Etablierung eines nachhaltigen Krankenhauses“, erklärt Mag. Uli Weisz vom Institut für Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt, das als Projektpartner mit dabei war. Fehlbelegungen seien aus betriebswirtschaftlicher Sicht oft kein Problem, verursachten allerding volkswirtschaftliche Kosten, erklärt die Wissenschaftlerin: Sie führten nicht zu einem Behandlungserfolg, sondern vielmehr zu einer Belastung der Mitarbeiter und zum Verbrauch von Ressourcen und zu Emissionen.
Eines der Projektziele war daher der Nachweis von Verbesserungs- bzw. Einsparpotentialen einer nachhaltigen Angebotsplanung am Beispiel Weaning Center. Ein Weaning Center ist ein pneumologisches Zentrum, an dem die Patienten ihrem jeweiligen Behandlungsbedarf entsprechend in geeigneten „Step-Down-Units“ beatmet werden. Am Otto-Wagner-Spital hat eine Bedarfserhebung ergeben, dass 13,5 Prozent der Belegstage beatmeter Patienten auf der Intensivstation (ICU) fehlbelegt sind und auf eine Respiratory Care Unit (RCU) verschoben werden könnten. Mehr als die Hälfte der Belegstage (56 Prozent) der RCU wiederum könnten ganz aus dem intensivmedizinischen Bereich ausgelagert werden. „Ein dreistufiges Weaning-Center könnte am Pilotspital zu einer Kostenersparnis von acht Prozent bzw. 4,1 Millionen Euro und einer Materialeinsparung von 352 Tonnen führen“, betont Weisz.

„Wir können es uns gar nicht leisten, nicht in nachhaltige Entwicklung zu investieren“, kommentiert DI Josef Aumayr, der technische Direktor des Otto-Wagner-Spitals, diese Erkenntnisse.
Von der inflationären Verwendung des Begriffes der Nachhaltigkeit ist allerdings abzuraten: „Eine einseitige Optimierung des Gesundheitssystems bei der technischen bzw. medizinischen Machbarkeit oder bei den Kosten schaffen Bumerang-Effekte“, warnt DI Wlli Haas vom Institut für Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt. Die zu starke Fokussierung auf technische/medizinische Lösungen schaffe Kapazitäten, die auch genutzt werden wollen. Effizienzsteigerungen brächten zwar zuerst einmal Kostenreduktionen, verführten aber zu verstärkter Anwendung. Und Kostensteigerungen, die nicht mehr finanzierbar seien, führten zu Einschränkungen der Gesundheitsleistungen nach unabsehbaren Prioritäten. „Dann wird ,nachhaltige Entwicklung‘ zum Unwort“, befürchtet Haas.
 

08.07.2010

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