Artikel • Bauchaortenaneurysma (BAA)

Ein neues Flussbett für den Aorten-Strom

Interventionsradiologen diskutieren minimalinvasive Behandlungen beim Bauchaortenaneurysma (BAA).

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Prof. Klaus Mathias ist Direktor der Radiologischen Klinik am Klinikum Dortmund und Vorsitzender der Themeneinheit Interventionelle Radiologie auf dem RadiologieKongressRuhr.

EVAR – hinter diesem wohlklingendem Akronym verbirgt sich eine interventionsradiologische Technik, die auf dem RadiologieKongressRuhr 2008 vorgestellt wird. EVAR steht für die Endovaskuläre Aneurysmareparatur und bedeutet die effiziente und komplikationsarme Behandlung einer lebensgefährlichen Gefäßaussackung, an der unter anderem auch Albert Einstein verstarb. „In der klinischen Praxis begegnen uns Aneurysmen in der chronisch-degenerativen Form als Komplikation der Arteriosklerose und in der akuten Form z. B. bei Unfällen. Beide Spielarten des Aneurysmas sind lebensgefährlich und machen schnelles Handeln erforderlich, da ein Riss des Gefäßes zu tödlichen inneren Blutungen führt“, erklärt Prof. Klaus Mathias, Direktor der Radiologischen Klinik am Klinikum Dortmund und Vorsitzender der Themeneinheit Interventionelle Radiologie auf dem RadiologieKongressRuhr. Ziel der Intervention ist es, das Aneurysma mithilfe einer Gefäßprothese auszuschalten und ein neues Flussbett für den erkrankten Abschnitt der Aorta einzurichten. „Der Eingriff wurde früher in Vollnarkose durchgeführt. Heute machen wir das in Lokalanästhesie“, betont Mathias.

Computertomografie zeigt Gefäßschädigung auf

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CT: infrarenales Bauchaortenaneurysma von 5,8 cm Durchmesser

Notwendige Vorarbeit leistet die kontrastmittelgestützte Computertomografie, die dem Radiologen das Ausmaß der Gefäßaussackung und gegebenenfalls der inneren Blutungen anzeigt. Die Computertomografie dient außerdem dem Ziel, die Größe des Gefäßes zu bestimmen und eine der anatomischen Form angepasste Prothese auszuwählen. Die Prothese besteht aus zwei Komponenten, dem Prothesen-Hauptkörper und einem Prothesenschenkel. Zusammen bilden sie die Form eines auf den Kopf gestellten Ypsilons und ahmen damit die Struktur der Bauchaorta an ihrer Verzweigung in die linke und rechte Beckenarterie nach. „Dies ist der Ort, an dem sich Bauchaortenaneurysmen zumeist ausbilden“, erklärt Mathias, der jährlich 50 bis 60 Eingriffe an seiner Klinik leitet.

In zwei kleinen Schnitten zur Baucharterie

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CT: koronare Rekonstruktion zur Beurteilung von Aneurysmahals und Längenmessung

„Wir führen nun die zwei Komponenten des Implantats über zwei 10 Millimeter kleine Einschnitte an der rechten und linken Oberschenkelarterie in das Gefäßsystem ein. Die Implantation erfolgt dabei in mehreren Schritten. Zunächst wird ein Träger-Katheter mit dem Implantat in eine der beiden Femoral-Arterien eingeführt und bis an den kopfseitigen Rand des Aneurysmas vorgeschoben“, so Mathias.

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Angiografie bestätigt das Aneurysma. Die Dimensionen werden nochmals überprüft und dann die geeignete Prothese ausgewählt.

Die Kontrolle über die Position des Katheters findet dabei mittels Röntgendurchleuchtung in Echtzeit statt. Hat die Prothese ihre korrekte Position unterhalb der Abzweigung der Nierenarterien erreicht, wird sie vom Träger-Katheter freigesetzt. „Das Implantat entfaltet sich auf den Durchmesser der Aorta und der abzweigenden Beckenarterien“, erklärt Mathias. Komplettiert wird die Prothese durch den zweiten Schenkel, den der behandelnde Radiologe über die andere Beinarterie einführt. Nach dem Eingriff prüft der Arzt die korrekte Lage der endovaskulären Prothese mithilfe einer angiografischen Aufnahmeserie, wobei ihm die Gabe eines Kontrastmittels auch zeigt, ob er das Aneurysma erfolgreich vom Blutstrom isoliert hat. Zeigt die Angiografie die erfolgreiche Ausschaltung des Aneurysmas, schließt der Behandelnde die beiden Einstiche in der Leiste mit einer speziellen Nahttechnik.

Rasche Genesungszeit

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Implantation der Aortenprothese von beiden Leisten aus in Lokalanästhesie. Die Kontrollangiografie bestätigt die Ausschaltung des Aneurysmas.

Der Vorteil der minimalinvasiven Methoden im Gegensatz zum chirurgischen Eingriff liegt in der raschen Genesungszeit des Patienten. „In der Regel müssen die Patienten nur wenige Tage im Krankenhaus verbringen und können bald wieder ihren normalen Alltagsaktivitäten nachgehen“, so Mathias. Regelmäßige Nachuntersuchungen in der Computertomografie stellen sicher, dass das Implantat an der richtigen Stelle bleibt und sich keine neuen Gefäßaussackungen bilden.

Neben der EVAR bei Bauchaortenaneurysmen diskutieren die Teilnehmer in der Themeneinheit Interventionelle Radiologie auch die Diagnostik und Intervention beim akuten Abdomen, die endovaskulären Reparaturmöglichkeiten beim thorakalen Aneurysma und die minmalinvasive Wirbelaufrichtung, die Kyphoplastie / Vertebroplastie.

23.10.2008

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